In der Praxis haben Fahrzeugleihsysteme diese Hoffnungen bisher nur in geringem Maße erfüllt: Dynamisch entwickelt haben sich hoch flexible Pkw-, Fahrrad- und Elektrotretroller-Leihsysteme in Großstädten, wo man aber auch bisher recht gut ohne Auto ausgekommen ist. Außerhalb der Großstädte gibt es ein sehr beschränktes Carsharing-Angebot mit der wesentlichen Einschränkung, dass das Fahrzeug nur dort zurückgegeben kann, wo es ausgeliehen wurde. Somit ist es für viele Zwecke entweder gar nicht möglich, nur für die "letzte Meile" ein Carsharing-Auto zu verwenden, oder es fällt bezogen auf die zurückzulegende Wegstrecke ein unangemessen langer Ausleihzeitraum an.
Eine wesentliche Ursache für das Fehlen flexibler Carsharingangebote für den ländlichen und suburbanen Raum ist die ungelöste Herausforderung der Wiederverteilung der Fahrzeuge, damit diese zuverlässig flächendeckend verfügbar sind. Innerstädtisch wird dieses Problem zunächst dadurch gemildert, dass sich die Verkehrsbedürfnisse in unterschiedlichen Richtungen halbwegs gut überlagern. Wo es dennoch zu Ungleichverteilungen kommt, sind ausreichend öffentliche Verkehrsmittel oder Taxis als Rückfallebene verfügbar. Im ländlichen und suburbanen Raum hingegen müsste ein flexibles Carsharingsystem den Nutzer:innen eine wesentlich höhere Zuverlässigkeit bieten und die Nutzung im Pendler:innenverkehr würde dazu führen, dass tagsüber die Fahrzeuge in der Peripherie ausgehen und nachts in den regionalen Zentren.
Um die Problematik der Wiederverteilung zu überwinden können zwei Lösungsansätze kombiniert werden:
Für dieses Konzept wurde als Beispiel-Leichtelektrofahrzeug wurde der Renault Twizy gewählt. Dieser ist am Markt verfügbar und kann sehr platzsparend geparkt werden: Auf einer dafür maßgeschneiderten Sonderbauform eines Abrollcontainers von 7,5m Länge könnten fünf solche Fahrzeuge quer angeordnet werden. Alternativen könnten der Microlino sein (nur vier Fahrzeuge pro Container möglich, dafür aber höherer Komfort und beim Querparken praktischerer Ausstieg duch die Fahrzeugfront) oder wettergeschützte Neigedreiräder wie Toyota iRoad, Roo oder Nimbus Halo (mehr als fünf Fahrzeuge pro Container möglich, Fahrzeuge aber noch nicht oder nicht mehr erhältlich und schwieriger zu lenken.) Der Abrollcontainer ist symmetrisch zu seiner Längsachse konstruiert. Es kann also von beiden Seiten ein- und ausgeparkt werden und es muss im Zuge der Flottenlogistik nicht zwischen "rechten" und "linken" Containern unterschieden werden.
Ähnlich wie bei vielen Bikesharing-Systeme können die Fahrzeuge zwar nur an Leihstationen ausgeliehen und zurückgegeben werden, das System ist aber insofern flexibel, als das Fahrzeug an einer anderen Station zurückgegeben werden kann, als bei jener, aus der es entnommen wurde. Die einzige ortsfesten Einrichtungen der Leihstation sind eine ausreichende Anzahl an Ladesäulen um alle Fahrzeuge zwischen den Fahrten aufladen zu können. Bei Leichtelektrofahrzeugen genügt dafür in der Regel ein Schuko-Anschluss.
Ansonsten umfasst eine Leihstation zwei oder mehrere Stellplätze für je einen Abrollcontainer mit ausreichendem Manövrierraum zwischen diesen Container-Stellplätzen. Den Nutzer:innen wird immer vom Leihsystem vorgeschrieben, welches Fahrzeuge sie nehmen sollen und in welchen Stellplatz an der Ziel-Leihstation sie das Fahrzeug zurückgeben sollen. Dadurch wird sichergestellt, dass ein Mangel an Fahrzeugen immer durch Tausch eines gänzlich leeren durch einen gänzlich vollen Container behoben werden kann und umgekehrt ein Mangel an freien Stellplätzen immer durch Tausch eines gänzlich vollen durch einen gänzlich leeren Container. Nachdem durch einen Containertausch weder alle Fahrzeuge von einer Leihstation entfernt werden dürfen noch alle Stellplätze einer Leihstation gefüllt sein dürfen ist es nicht nötig, dass alle Fahrzeuge auf Containern abgestellt werden. Daher sind anschließend an die Containerstellplätze noch Stellplätze für weitere Leihfahrzeuge direkt auf der Straßenoberfläche vorgesehen.
Bevor ein vollständig mit Leihfahrzeugen befüllter Abrollcontainer abtransportiert wird muss eine Ladungssicherung erfolgen, beispielsweise mit Gurten über die einzelnen Leihfahrzeuge oder mit Klammern, die die Räder der Leihfahrzeuge am Container fixieren. Weiters müssen die Ladekabel abgesteckt werden, dabei erscheint es praktischer, dass die Ladekabel bei der Ladesäule verbleiben als beim Leihfahrzeug. Im Weiteren erfolgt der Transport mit üblichen Hakenlift-Lkw, gleichartig wie bei anderen Abrollcontainern, insbesondere jenen in der Abfallwirtschaft. Daher wären auch Synergien zwischen Abfalllogistik und Carsharing-Flottenlogistik denkbar wenn beides von der öffentlichen Hand gemeinsam ausgeschrieben wird.
Wenn immer ein Container-Stellplatz freigelassen wird kann der Tausch eines Containers, also das Umstationieren von fünf Leihfahrzeugen, rasch und unkompliziert mit einem Abladevorgang und einem Aufnahmevorgang durchgeführt werden. Bei einer Containerlänge von 7,5 m können auch Lkw mit Anhänger genutzt werden, sodass unter Einhaltung der zulässigen Gesamtlänge des Gespanns von 18,5 m mit einer Fahrt bis zu zehn Leihfahrzeuge umstationiert werden können. Dadurch wird zwar der Be- und Entladevorgang erheblich komplizierter, in der Abfallwirtschaft ist der Anhängerbetrieb aber dennoch üblich.
Für ein optimales Mobilitätsangebot um tragbare Kosten für die öffentliche Hand ist es daher zielführend, die Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Bestandteilen des "öffentlich zugänglichen Verkehrs" zu optimieren:
Selbst wenn die einzelnen Fahrzeuge an den kleinsten Stationen (kleine graue Punkte) nur etwa zwei Mal täglich für kurze Fahrten ausgeliehen werden kann sich also unter Berücksichtigung der Fahrten zwischen größeren Orten untereinander eine gute Auslastung ergeben.
Die kleinste praktikable Leihstation hat Platz für zehn Fahrzeuge: Fünf Stellplätze direkt auf der Straßenoberfläche, fünf weitere auf einem Abroll-Containerrahmen. Zusätzlich braucht es noch Platz für einen weiteren Containerrahmen um ohne langwierige Rangiermanöver fehlende Fahrzeuge bringen oder überschüssige abtransportieren zu können.
Um das Risiko leerer oder überfüllter Leihstationen zu reduzieren sollte die Auslastung der Stellplätze durchschnittlich 50% betragen, an der kleinstmöglichen Leihstation sollten sich im Mittel also fünf Fahrzeuge befinden. Wenn es an den kleinsten Leihstationen pro Tag und durchschnittlich anwesendem Fahrzeug zu einer Ankunft und einer Abfahrt kommen soll, so sind dies also 10 Fahrten pro Tag (abfahrende und ankommende Fahrten einzeln gezählt). Bewohner:innen peripherer Bezirke in Österreich legten 2013/14 pro Tag durchschnittlich 2,7 außerhäusliche Wege zurück, etwa zwei davon mit motorisierten Verkehrsmitteln. Wohnen im Einzugsgebiet einer kleinen Leihstation 100 Einwohner:innen, so legen diese zusammen typischerweise 200 motorisierte Wege am Tag zurück. Um die angestrebte Inanspruchnahme der Leihstation von 10 Fahrten täglich zu erreichen müssten also 5% des motorisierten Verkehrs der Bewohner:innen mit den Sharing-Leichtelektrofahrzeugen zurückgelegt werden. Dies könnte beispielsweise erfüllt werden, indem:
Bei einer wesentlich pessimistischeren Sichtweise mit einer Mindestbevölkerung von 500 Personen im 1-km²-Einzugsbereich einer Leihstation würde sich das Leihstellennetz auf die orangen Quadrate reduzieren. Damit wäre der Beitrag des flächendeckenden Carsharing-Angebots zum Ziel einer weitgehend flächendeckenden Mobilitätsgarantie ohne eigenes Auto wesentlich geringer: Ein Drittel der Einwohner:innen Österreichs wären außerhalb des Einzugsbereichs einer Leihstation, bei mindestens 100 Einwohner:innen pro Leihstation (orange+violette Quadrate) wäre es nur ein Zehntel. Trotzdem wäre es in manchen Umlandgemeinden der größeren Städte, auf tangenzialen Fahrtrelationen sowie zu Nebenverkehrszeiten eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem vorhandenen planmäßigen öffentlichen Verkehr.
In verkehrspolitischen Diskussionen wird häufig die These vertreten, dass für die unteren Einkommensschichten der Unterhalt eines eigenen Pkw schon heute eine problematische finanzielle Belastung darstellt und eine wesentliche Verteuerung von Treibstoffen oder der Umstieg auf teurere batterieelektrische Pkw auch für breitere Bevölkerungsgruppen nicht leistbar wäre, insbesondere wenn direkte und indirekte Subventionen für batterieelektrische Pkw in Zukunft reduziert werden müssen. Sollte diese Annahme zutreffen, so könnte das flexible Carsharing-Angebot langfristig wesentlich mehr als 5% der Verkehrsnachfrage anziehen und ein weitgehend flächendeckender Betrieb sollte mit dem Anspruch einer effizienten Fahrzeugauslastung definitiv vereinbar sein.
Ungeachtet des hohen langfristigen Nachfragepotenzials ist das kurzfristige Potenzial wesentlich geringer: Die meisten Menschen in der Region haben ihre alltäglichen Mobilitätsbedürfnisse in irgendeiner Weise gelöst, zumeist durch ausreichenden Pkw-Besitz. Ein flexibles Carsharing-Angebot kann zwar die Entscheidung unterstützen, hinkünftig mit einem statt zwei Autos im Haushalt auszukommen oder ganz ohne eigenes Auto zu leben, diese Entscheidung wird aber in aller Regel nicht kurzfristig nach Einführung des Carsharing-Angebots getroffen werden. Realistischer ist die Reduktion des Motorisierungsgrades erst Monate oder Jahre später, wenn sich das Carsharing-Angebot bewährt hat und eine Neuanschaffung oder eine teure Reparatur des eigenen Autos ansteht. Mit der Zeit kann Nachfrage auch dadurch heranreifen, dass Menschen einen neuen Wohn- oder Arbeitsort wählen, weil dieser dank flexiblem Carsharing auch ohne eigenes Auto gut erreichbar ist. Die Frage der minimalen erforderlichen Bevölkerungsdichte zum effizienten Betrieb stellt sich daher primär für die Pionierphase solcher Angebote. In dieser Phase erscheint es zweckmäßig, sehr günstige Tarife anzubieten und dadurch die Nutzung des Leihsystems auch für Pkw-Besitzer:innen finanziell interessant zu machen. Auch wenn dies in der Anfangsphase zu ähnlichen Verlusten führt wie eine geringe Auslastung bei höheren Preisen hat es doch den Vorteil, dass das System einem breiteren Nutzer:innenkreis vertraut wird.
Quellen: Ältere Fassung dieses Konzepts auf Grundlage von ISO-Containern statt Abrollcontainern
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